«A Family» in German
Eine Familie
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✒ Author | Guy de Maupassant |
📖 Pages | 10 |
⏰ Reading time | 20 minutes |
💡 Originally published | 1881 |
🌏 Original language | French |
📌 Types | Stories , Novels |
📌 Genres | Prose, Social |
📌 Section | Social novel |
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Eine Familie: read the book
Ich wollte meinen alten Freund Simon Radevin besuchen, den ich seit fünfzehn Jahren nicht mehr gesehen.
Früher war er mein bester Freund, ein Busenfreund einer, mit dem man lange Abende ruhig und heiter zusammensitzt, dem man die intimsten Herzensdinge anvertraut, für den man in leisem Gespräch wundersame zarte, feine Ideen findet, die solche Seelenfreundschaft erzeugt, weil sie den Geist anregt und schärft.
Jahrelang hatten wir uns kaum verlassen, wir hatten zusammen gelebt, Reisen gemacht, gedacht, geträumt, wir liebten dieselben Dinge, mit derselben Liebe, wir bewunderten die gleichen Bücher, begeisterten uns für dieselben Kunstwerke, schauerten bei den gleichen Erregungen zusammen, und hatten oft über das Gleiche gelacht, sodaß wir uns verstanden, wenn wir nur einen Blick wechselten.
Dann hatte er sich verheiratet. Er hatte plötzlich ein Mädchen aus der Provinz zur Frau genommen, die nach Paris gekommen war, um einen Mann zu suchen. Wie war es nur möglich gewesen, daß dieses kleine, fadblonde, magere Geschöpf mit ihren wasserhellen, geistlosen Augen, mit ihrer derben, dummen Stimme, diesen zartbesaiteten klugen Menschen mit ihren einfältigen Händen hatte einfangen können! Kann man so etwas verstehen! Er hatte wahrscheinlich von Glück geträumt, von einem stillen, süßen, dauernden Glück in den Armen einer zärtlichen, treuen, guten Frau und alles das hatte er wohl im durchsichtigen Blick dieses kleinen Geschöpfes mit dem bleichen Haar zu lesen vermeint.
Er hatte nicht daran gedacht, daß ein thätiger, lebhafter, nervöser Mensch alles satt bekommt, sobald er einmal die platte Wirklichkeit der Dinge erfaßt hat, er müßte denn allmählich so verdummen, daß er gar nichts mehr kapiert.
Wie würde ich ihn wiederfinden? Immer noch so lebhaft, geistreich, fröhlich, enthusiastisch oder eingeschläfert durch das Leben in der Provinz? Der Mensch kann sich in fünfzehn Jahren sehr, sehr verändern.
Auf einem kleinen Bahnhof hielt der Zug. Als ich ausstieg, stürzte ein dicker, sehr dicker Mann mit roten Wangen und dickem Wanst auf mich zu, öffnete beide Arme und rief:
»Georg!«
Ich umarmte ihn, aber erkannt hätte ich ihn nicht und ich sagte ganz erschrocken:
»Donnerwetter! Bist Du aber dick geworden!«
Er antwortete lachend:
»Ja, was denkst Du denn bei dem guten Leben, bei gutem Essen und regelmäßigem Schlaf! Essen und Schlafen, das ist mein Lebensinhalt.«
Ich betrachtete ihn und suchte in diesem fetten Gesicht die einst geliebten Züge. Nur sein Auge war dasselbe geblieben, aber ich fand in ihm nicht den Blick wieder von früher, und sagte mir: wenn es wahr ist, daß das Auge der Spiegel der Seele ist, so ist die Seele in dieser Brust da nicht mehr dieselbe wie früher, nicht mehr die, in der ich zu lesen verstand.
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