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«A Drama on the Seashore» in German

Drama am Ufer des Meeres, Ein

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📖 Pages19
⏰ Reading time 1 hour 15 minutes
💡 Originally published1835
🌏 Original language French
📌 Type Stories

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Drama am Ufer des Meeres, Ein: read the book

Die jungen Leute haben fast alle einen Zirkel, mit dem sie sich darin gefallen, die Zukunft zu messen; wenn ihr Wille sich mit der Kühnheit des Winkels vereint, den sie öffnen, so gehört ihnen die Welt. Aber diese Erscheinung des Seelenlebens gilt nur bis zu einem bestimmten Alter. Dieses Alter, das bei jedem Manne die Jahre zwischen zweiundzwanzig und achtundzwanzig umfaßt, ist das Alter der großen Gedanken, der ersten Konzeptionen, weil es das Alter der ungeheuren Wünsche ist, das Alter, in dem man an nichts zweifelt: wer zweifelt, bekennt seine Unfähigkeit. Nach diesem Alter, das so schnell wie die Saatzeit verläuft, kommt das der Erfüllung. Es gibt gewissermaßen zwei Jugendalter: die Jugend, in der man glaubt, und die Jugend, in der man handelt; bei den von der Natur begünstigten Menschen vereinigen sie sich oft, und das sind, wie Cäsar, Newton und Bonaparte, die größten unter den großen Menschen.
Ich berechnete, wie viel ein Gedanke an Zeit braucht, um sich zu entwickeln, und, meinen Zirkel in der Hand, auf einem Felsen stehend, hundert Klafter über dem Ozean, dessen Wellen in der Brandung spielten, maß ich meine Zukunft, indem ich sie mit Werken ausfüllte wie ein Ingenieur, der, auf einem leeren Feld, Befestigungen und Paläste absteckt. Das Meer war schön; ich hatte mich eben nach dem Schwimmen angezogen; ich erwartete Pauline, meinen Schutzengel, die in einem Granitbecken badete, der reizendsten Wanne, die die Natur für ihre Seenixen geschaffen hat. Wir befanden uns am äußersten Ende von le Croisic, einer lieblichen Halbinsel der Bretagne; wir waren weit vom Hafen, an einer Stelle, die der Fiskus für so unzugänglich gehalten hat, daß der Zollbeamte dort fast niemals vorbeikommt. In den Lüften zu schwimmen, nachdem man im Meer geschwommen hat! Ach, wer hätte nie in der Zukunft geschwommen? Warum dachte ich? Warum kommt ein Unglück? Wer weiß es? Die Gedanken überfallen dein Herz oder deinen Kopf, ohne dich zu befragen. Keine Kurtisane war je grillenhafter noch gebieterischer, als es die Konzeption für die Künstler ist; man muß sie im rechten Augenblick wie das Glück bei der Stirnlocke fassen. Hinaufgeklettert auf meinen Gedanken, wie Astolph auf seinen Hippogryph, ritt ich also durch die Luft, um dort ganz nach meinem Willen zu schalten. Als ich um mich her nach einem Vorzeichen suchen wollte für die kühnen Gebilde, die meine tolle Eingebung mir zu unternehmen riet, übertönte ein holder Schrei, der Schrei einer Frau, die uns in der Stille einer Einöde ruft, der Schrei einer Frau, die, belebt und fröhlich, aus dem Bade steigt, das Murmeln des unaufhörlich beweglichen Saumes, den Ebbe und Flut an den Buchten des Ufers abzeichneten. Als ich diese Seelenregung vernahm, glaubte ich zwischen den Felsen den Fuß eines Engels gesehen zu haben, der, seine Flügel ausbreitend, gerufen hatte: »Du wirst Erfolg haben!« Ich stieg hinab, strahlend, leicht; ich kletterte hüpfend wie ein Stein, der einen steilen Abhang hinunterrollt. Als sie mich sah, sagte sie: »Was hast du?« Ich antwortete nicht; meine Augen wurden feucht. Tags vorher hatte Pauline meine Schmerzen begriffen, so wie sie jetzt meine Freude begriff, mit der magischen Feinfühligkeit einer Harfe, die den Veränderungen der Atmosphäre unterworfen ist. Das menschliche Leben hat schöne Augenblicke! Wir gingen schweigend den Strand entlang. Der Himmel war ohne Wolken, das Meer ohne Furchen; andere hätten darin nichts gesehen als zwei blaue Steppen, eine über der anderen; aber wir, wir, die wir uns verstanden, ohne des Worts zu bedürfen, wir, die wir zwischen Himmel und Meer, diesen beiden Winkeln des Unendlichen, die Illusionen spielen lassen konnten, von denen man sich in der Jugend nährt, wir drückten uns die Hände bei der geringsten Bewegung, die sich zeigte, sei es auf der Wasserfläche, sei es in den Luftwellen. Wir nahmen diese flüchtigen Erscheinungen für den körperlichen Ausdruck unser beider Gedanken. Wer hat nie im Genuß den Augenblick unbegrenzter Freude gekostet, wo die Seele sich von den Fesseln des Fleisches gelöst zu haben scheint und sich gleichsam dem Weltall hingegeben fühlt, von dem sie gekommen ist? Der Genuß ist nicht unser einziger Führer in diesen Regionen. Gibt es nicht Stunden, wo die Gefühle sich ineinanderschlingen und dann losstürmen, wie zwei Kinder sich oft bei der Hand fassen und dann zu laufen anfangen, ohne zu wissen warum? Gingen auch wir so einher?
In dem Augenblick, wo die Dächer der Stadt am Horizont auftauchten, auf dem sie eine graue Linie abzeichneten, begegneten wir einem armen Fischer, der nach le Croisic zurückkehrte; er war barfuß; seine Leinwandhosen waren unten zerrissen, durchlöchert, schlecht geflickt; er trug ein Hemd aus Segelleinwand, zerfranste Hosenträger und einen Lumpen als Rock. Dieses Elend tat uns weh, gleich als wenn eine Dissonanz mitten in unsere Harmonien gedrungen wäre. Wir sahen uns an, um uns gegenseitig zu bedauern, daß wir in diesem Augenblick nicht die Kraft hatten, aus den Schätzen von Abulkaßim zu schöpfen. Wir bemerkten eine prächtige Hummer und eine Seespinne, die an einer Schnur befestigt waren, welche der Fischer in seiner rechten Hand hin und her bewegte, während er in der andern sein Segel- und Fanggerät hielt. Wir gingen auf ihn zu, in der Absicht, ihm seinen Fisch abzukaufen, ein Gedanke, der uns beiden gleichzeitig kam, und der sich in Paulines Lächeln ausdrückte, auf das ich mit einem leichten Druck ihres Armes antwortete, den ich an meine Brust zog. Das sind Geringfügigkeiten, die hernach die Erinnerung zu einem Gedicht gestaltet, wenn wir uns, beim Schein des Feuers, der Stunde erinnern, wo dieses Nichts uns bewegt hat, des Orts, wo es sich zugetragen hat, und des Wahns, dessen Wirkungen noch nicht festgestellt sind, der sich aber oft aus den Dingen entwickelt, die uns umgeben, in den Augenblicken, wo das Leben leicht und unser Herz voll ist. Die schönsten Stätten sind unsere eigne Schöpfung. Welcher Mensch, der ein wenig Dichter ist, hat nicht in seiner Erinnerung ein Fleckchen Erde, das dort einen größeren Platz einnimmt als all' die berühmten Bilder aus fremden Ländern, die man nur unter hohen Kosten aufgesucht hat. Das ist die Stätte seiner stürmischsten Gedanken, seiner kühnsten Hoffnungen.
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