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«The Young King» in German

Der Junge König

44 votes
✒ Author
📖 Pages24
⏰ Reading time 1 hour
💡 Originally published1888
🌏 Original language English
📌 Types Novels , Fairy tale
📌 Genres Children's literature, Psychological, Social, Philosophical, Parable
📌 Sections Psychological novel , Social novel , Philosophical novel

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Der Junge König: read the book

Es war die Nacht vor seinem Krönungstage, und der junge König saß allein in seinem schönen Zimmer. Seine Höflinge hatten alle Urlaub von ihm genommen, indem sie nach dem zeremoniösen Gebrauch der Zeit den Kopf bis zum Boden neigten, und hatten sich in den großen Saal des Palastes begeben, um von dem Oberzeremonienmeister einige letzte Anweisungen zu erhalten; denn einige von ihnen hatten noch ein ganz natürliches Benehmen, und ich brauche nicht erst zu sagen, daß das bei Hofe großen Anstoß erregt.
Der Knabe – denn er war noch ein Knabe, mit seinen sechzehn Jahren – war nicht betrübt, daß sie gingen, und hatte sich mit einem tiefen Seufzer der Befreiung auf die weichen Kissen seines gestickten Lagers zurückgeworfen; er lag da mit flammenden Augen und offenem Munde, wie ein brauner Faun des Waldes oder ein junges Tier der Wildnis, das die Jäger gefangen haben. Und wirklich hatten ihn auch die Jäger gefunden. Sie waren fast durch Zufall auf ihn gestoßen, als er barfuß, die Flöte in der Hand, der Herde des armen Ziegenhirten nachzog, der ihn aufgezogen und als dessen Sohn er sich bis dahin immer angesehen hatte. Das Kind der einzigen Tochter des alten Königs aus einer heimlichen Ehe mit einem, der an Rang weit unter ihr stand – einem Fremden, sagten einige, der durch den wunderbaren Zauber seines Flötenspiels die junge Prinzessin bezaubert hatte, daß sie ihn lieben mußte; während andere einen Künstler aus Rimini nannten, dem die Prinzessin viel, vielleicht zu viel Ehre erwiesen hatte und der plötzlich aus der Stadt verschwunden war, ohne seine Arbeit in der Kathedrale vollendet zu haben –, war er, kaum eine Woche alt, von der Seite seiner schlafenden Mutter gerissen und einem gemeinen Bauern und seiner Frau anvertraut worden, die keine eigenen Kinder hatten und in einem entlegenen Teile des Waldes wohnten, mehr als einen Tagesritt von der Stadt entfernt. Der Gram oder die Pest, wie der Hofarzt feststellte, oder, wie einige behaupteten, ein schnelles italienisches Gift, in einem Becher gewürzten Weines gereicht, tötete schon eine Stunde nach ihrem Erwachen das weiße Mädchen, das ihn geboren hatte; und als der treue Bote, der das Kind über dem Sattelbogen trug, von seinem müden Pferde stieg und an die Tür der Hütte des Hirten pochte, da senkte man den Leichnam der Prinzessin in ein offenes Grab, das man jenseits der Tore der Stadt auf einem verlassenen Kirchhof gegraben hatte – in ein Grab, darin, wie man sagte, schon ein anderer Leichnam lag, der Leichnam eines jungen Mannes von wunderbarer und fremdartiger Schönheit, dem die Hände mit geknüpften Stricken auf den Rücken gebunden waren und dessen Brust viele rote Wunden aufwies.
Das war wenigstens die Erzählung, die man sich zuflüsterte. Sicher war, daß der König auf seinem Totenbette, vielleicht von Reue ob seiner großen Sünde gepeinigt, vielleicht auch nur in dem Wunsch, daß das Königtum bei seiner Linie bleiben möge, nach dem Knaben hatte schicken lassen und ihn in Gegenwart des Rates als seinen Erben anerkannt hatte.
Und es scheint, daß er vom ersten Augenblick seiner Anerkennung an Zeichen jener seltsamen Leidenschaft für die Schönheit zeigte, die so großen Einfluß auf sein Leben gewinnen sollte. Die ihn durch die Flucht von Zimmern begleiteten, welche für ihn bestimmt war, sprachen oft von dem Schrei des Vergnügens, der ihm von den Lippen brach, als er die feinen Gewänder und reichen Juwelen sah, die man für ihn bereitet hatte, und von der beinahe wilden Freude, mit der er sein rohes Lederwams und seinen rauhen Schaffellmantel von sich warf. Freilich, bisweilen vermißte er die schöne Freiheit seines Waldlebens, und er war immer bereit, sich über die langweiligen Hofzeremonien aufzuregen, aber der herrliche Palast – »La Joyeuse« nannte man ihn –, dessen Herr er nun war, schien ihm eine neue Welt zu sein, die eigens zu seiner Lust geschaffen war; und sobald er der Ratsversammlung oder dem Audienzzimmer entfliehen konnte, lief er die große Treppe hinunter, wo Löwen aus vergoldeter Bronze standen und deren Stufen aus glänzendem Porphyr waren, und wanderte von Zimmer zu Zimmer, von Gang zu Gang wie einer, der in der Schönheit einen Balsam für den Schmerz suchte, eine Art Genesung aus Krankheit.
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