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«On the River» in German

Auf dem Strom

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✒ Author
📖 Pages10
⏰ Reading time 30 minutes
💡 Originally published1876
🌏 Original language French
📌 Type Stories

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Auf dem Strom: read the book

Vorigen Sommer hatte ich ein kleines Landhaus am Ufer der Seine gemietet. Es lag wenige Meilen von Paris und jeden Abend fuhr ich hinaus, um dort zu übernachten. Nach ein paar Tagen machte ich die Bekanntschaft eines meiner Nachbarn, eines Mannes von dreißig bis vierzig Jahren, der einer der sonderbarsten Käuze war, die mir je begegnet sind. Er war ein alter Bootsmensch, ein leidenschaftlicher Ruderer, immer am Wasser, auf dem Wasser oder im Wasser. Er mußte in einem Boot geboren sein und würde auch sicher beim Bootfahren einmal seinen Tod finden.
Als wir uns eines Abends am Ufer der Seine ergingen, bat ich ihn, mir doch einmal ein paar Geschichten aus seinem Wasserleben zu erzählen. Sofort wurde der gute Mann lebhaft, bekam ein ganz anderes Aussehen, ward beredt, fast poetisch. In seinem Herzen thronte nur eine Leidenschaft, die ihn ganz aufzehrte, die alles andere daraus verdrängte: der Strom.
– Ach! sagte er, ich weiß viele Geschichten und habe so viele Erinnerungen, die mit diesem Flusse verknüpft sind, der da vor uns dahinströmt. Ihr Städter wißt ja gar nicht, was der Fluß ist. Aber ihr müßt mal einen Angler davon reden hören! Für den ist der Fluß das wundersamste, tiefste, rätselhafteste, das es nur geben kann. Ein Land mit Luftspiegelungen und Nebelbildern, wo man nachts Dinge sieht, die es gar nicht giebt, wo man Geräusche hört, die man sich nicht erklären kann, wo man zittert, ohne zu wissen, warum, als ginge man über einen Kirchhof. Und so ein Strom ist der traurigste Kirchhof der Welt, ein Kirchhof ohne Gräber.
Für den Angler hat die Erde ihre Grenzen, aber im Dunklen, wenn der Mond nicht scheint, ist das Wasser für ihn grenzenlos. Der Seemann empfindet auf seinem Meere nicht das gleiche. Die See ist oft grausam und grollt, aber sie schreit, sie heult und warnt damit die Menschen, der Fluß aber schweigt und überfällt sie hinterlistig. Er fließt immer lautlos dahin. Und diese ewige Bewegung des Wassers, das stille Rinnen ist für mich viel furchtbarer als der Ozean mit seinen turmhohen Wellen.
Träumer behaupten, in Meerestiefen lägen ungeheure, blau dämmernde Länder, wo die Leichen der Ertrunkenen hin und her gespült werden zwischen den großen Fischen, mitten durch seltsame Wälder, in krystallene Grotten hinein. Der Fluß hat nur dunkle Tiefen im Grunde und man verfault im Schlamm. Und doch ist er schön, wenn er glitzert bei Sonnenaufgang und leise plätschert zwischen den von murmelndem Schilf umstandenen Ufern.
Und ich denke, daß die Geschichten, die das Schilf mit säuselnder, süßer Stimme erzählt, trauriger sein müssen als die düsteren Dramen, von denen das Wogengebrüll Kunde giebt.
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